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Daniel Defoe: Robinson Crusoe Aus dem Englischen von Karl Altmüller Kapitel 8 So lebte ich nun in der größten Zufriedenheit; meine Seele fand ihre Ruhe in der gänzlichen Ergebung in Gottes Willen, und ich überließ mich unbedingt den Fügungen seiner Vorsehung. Das war besser als menschlicher Umgang für mich, und so oft ich anfing, die Entbehrung eines Gesprächs zu beklagen, fragte ich mich alsbald, ob nicht der Verkehr mit meinen eigenen Gedanken und sozusagen mit Gott selbst dem größten Vergnügen, das menschliche Gesellschaft gewähren kann, vorzuziehen sei. Im Uebrigen wüßte ich nicht, daß in den nächstfolgenden fünf Jahren irgend etwas Außergewöhnliches vorgefallen wäre. Ich lebte in derselben Weise, in gleicher Lage und an demselben Orte wie bisher fort. Abgesehen von der jährlich wiederkehrenden Arbeit des Anbauens von Gerste und Reis und des Zubereitens der Rosinen, von welchen ich mir immer genug vorräthig hielt, um für ein Jahr im Voraus versorgt zu sein, und abgesehen von dem täglichen Ausgang mit meiner Flinte, bestand meine Beschäftigung hauptsächlich in dem Bau eines zweiten Canoe's. Endlich hatte ich denn auch eins fertig gebracht. Nachdem ich einen sechs Fuß breiten und vier Fuß tiefen Kanal gegraben, gelang es auch, dasselbe fast eine halbe Meile weit den Fluß hinabzuschaffen. Jenes erste, welches so unvernünftig groß geworden war, weil ich nicht gehörig vorher überlegt hatte, wie ich es von der Stelle bewegen sollte, und von dem ich endlich eingesehen, daß ich es weder an das Wasser, noch das Wasser zu ihm bringen könnte, hatte ich liegen lassen müssen, wo es lag, als eine Mahnung für mich, ein andermal klüger zu sein. Das war ich denn auch das zweite Mal wirklich gewesen. Wenn ich auch keinen ganz passenden Baum hatte finden können und keine dem Wasser näher gelegene Stelle als eine beinahe eine halbe Meile davon entfernte, so hatte ich doch bald gesehen, daß es diesmal gelingen würde, und daß ich das Unternehmen nicht wieder aufzugeben brauchte. Obgleich ich fast zwei Jahre darauf verwendete, ließ ich mich doch keine Mühe verdrießen, in der Hoffnung, endlich ein Boot zu haben, in dem ich mich auf die See begeben könnte. Als jedoch meine kleine Pirogue fertig war, fand sich, daß ihre Größe durchaus nicht genügte, um die Absicht, die mir beim Bau der ersten vorgeschwebt hatte, damit auszuführen; ich meine die Fahrt nach dem Festlande. Der Meeresarm, der mich von diesem trennte, war über vierzig Meilen breit, daher machte die Kleinheit des Fahrzeuges diesen Plan unmöglich, und ich dachte nicht weiter daran. Da ich das Boot aber nun einmal hatte, nahm ich mir vor, darin eine Fahrt um die Insel zu unternehmen. Denn als ich früher zu Lande, wie ich es beschrieben habe, auf der andern Seite derselben gewesen war, hatten mir die bei dieser Gelegenheit gemachten Entdeckungen die größte Lust erweckt, auch noch weitere Theile der Küste kennen zu lernen. Deshalb beschäftigte mich jetzt, wo ich mich im Besitze eines Bootes sah, kein anderer Gedanke, als eine Segelfahrt um die Insel anzustellen. Zu diesem Zwecke, und um es an keiner Vorsicht und Ueberlegung fehlen zu lassen, errichtete ich einen kleinen Mast in meinem Boote und befestigte daran ein Segel, das ich aus einem der alten Schiffssegel angefertigt hatte, von denen ich einen großen Vorrath aufbewahrte. Als Mast und Segel angebracht waren, probirte ich das Boot und fand, daß es vortrefflich segelte. Dann brachte ich kleine Kästen oder Abschläge an beiden Enden des Fahrzeuges an, um nothwendige Gerätschaften, Lebensmittel, Schießbedarf u. s. w. darin trocken zu halten und vor dem Regen und dem Wellenschaum zu schützen. Ferner schnitt ich eine schmale lange Höhlung in die innere Seite des Bootes, wo hinein ich meine Flinte legen konnte, und versah sie mit einer Klappe, um das Gewehr vor der Nässe zu bewahren. Am unteren Ende meines Fahrzeugs befestigte ich hierauf meinen Sonnenschirm auf dieselbe Weise wie den Mast, damit er über meinem Kopfe ausgespannt gleich einem Zelt die Sonnenhitze von mir abhalten sollte. Zunächst machte ich hin und wieder einen kleinen Ausflug in die See, wagte mich aber niemals weit hinaus und entfernte mich auch nicht sehr von der Flußmündung. Endlich aber beschloß ich, begierig, den Umfang meines Reiches kennen zu lernen, die Umsegelung zu unternehmen. Demgemäß verproviantirte ich mein Fahrzeug für die Reise mit zwei Dutzend meiner Brode, oder, richtiger gesagt, Gerstenkuchen, mit einem Topfe voll gerösteter Reiskörner, von denen ich häufig zu essen pflegte, ferner mit einer kleinen Flasche Rum und der Hälfte einer erlegten Ziege. Auch Pulver und Blei nahm ich mit, um weitere Ziegen schießen zu können, und versah mich ferner mit zwei von den großen Ueberröcken, die ich, wie ich vorher erwähnte, aus den Koffern der Seeleute gerettet hatte. Auf einem davon wollte ich liegen, mit dem andern gedachte ich mich des Nachts zuzudecken...